Viel spannender die Frage, was die TLD ".net" vor der ".eu" zu suchen hat, und nicht zusammen mit der ".org" eingruppiert wird.
Sedo scheint seinen Fokus ja auf Non-New-Economy-Endkunden zu legen, und denen fehlt in aller Regel die Phantasie eine deutsches-keyword.org oder .net anzukaufen um sie dann zu entwickeln und oder zu vermarkten. Diese Phantasie ist nur in der SEO-Domainer Zunft und dort primär in DE zu finden.
Rheinlaender: Deine Erfahrung in Ehren, aber ich seh das ein wenig anders.
Kurzer Abstrakt zur Historie von ".org" und seiner Zukunft (bzw der Abwesenheit dieser Zukunft):
.org wurde 1985 eingeführt um "Noncommercial Organisations" eine Heimat im DNS zu geben. Bis vor wenigen Jahren war die TLD dann auch wirklich auf diesen Registrantenkreis beschränkt. Eine klassische, restringierte (auf bestimmte Regisranten limitierte) Community-TLD, so wie auch .edu, .gov, .mil und .int klassische Community TLD's sind: Beschränkt auf einen klar eingegrenzten Registrantenkreis der eine Community mit bestimmten Gemeinsamkeiten darstellt. Diese Registranten waren in der Regel sehr "TRUST"-worthy (vertrauenswürdig), weil non-commercial und meist im Interesse des Volkes oder Teile des Volkes handelnd: UNICEF.org, RedCross.org oder Amnesty.org sind gute Beispiele. Alle in guter Nachbarschaft mit ihrer ".org", man hatte eine gute, vertrauenswürdige, exklusive Adresse (auf TLD Ebene gesehen)!
In 2001 stagnierten aber plötzlich die Registrantenzahlen nicht nur, sondern wurden stark rückläufig: Im Oktober 2001 gabe es noch es fast 4,5 Millionen ".org's" und schon 8 Monate später nur noch 3,6 Millionen, eine ungemein rasante Talfahrt von 20% Bestand. ".com" ging in der Zeit nur um 9% zurück (man erinnere sich: Die Internet Blase war geplatzt). Bei 3,6 bis 3,7 Millionen dümpelte man dann auch bis Anfang 2003: Dann übernahm PIR das Ruder (Public Interest Registry, Verisign wurde damals ein wenig geschröpft, hätte ja beinahe später auch die .net verloren). Registry Service Provider (technischer Dienstleister) wurde übrigens Afilias.
Bis Anfang 2003 hatte die .org einen feinen, sauberen und vor allem tadellosen Bestandskundenstamm aufgebaut: Unzählige Organisationen die Websites mit viel Text und wenig Werbung hatten, aber viele Backlinks. ".org" war deren "Zuhause", und eine excellente Adresse. Sagen wir mal so wie die Bronx in New York: Bis Mitte des 19ten Jahrhunderts eine gute Adresse: Mittelstand. Solide. Konnten sich nicht viele leisten damals um 1900-1950.
PIR hat dann die Regzahlen (und damit den Umsatz) nach oben treiben wollen. Warum ist unklar, es handelt sich ja eigentlich um eine Non-For-Profit Orga. Man hatte die "geniale" Idee die historische Community Begrenzung sehr lax zu handhaben um neue Registrantengruppen anzulocken. Ein wenig so, als würden wir hier bei 1&1 ein Banner schalten: "Fragen zu Domains? Melde Dich bei Consultdomain.de an, und frag uns". Bringt ganz viele neue CD-Mitglieder herbei, und ganz viel Ärger.
Wenn man eine stark restringierte Communty "aufmacht", dann erodiert der Community-Status. Das ist bei CD und der Bronx nicht anders als bei ".org".
Der Rest ist Geschichte und erklärt sich fast von alleine: Im "Hause" (der Community) ".org" nisteten sich mehr und mehr community-fremde Elemente ein. Ganz so wie in der Bronx ab 1950 Stück für Stück die Unterschicht und mit ihr die Kriminalität Einzug hielt.
Reaktion in der Bronx: Die Mittelschicht zog ab 1950 einfach Stück für Stück aus, und die Bronx wurde eben die Bronx: Nachtbesuche Europäischer Touristen sollten Stand heute vermieden werden. Reiseführer empfehlen keine Ziele dort. Das gute Image ist total hinüber. Wer Kohle hat zieht unter Garantie nicht in die Bronx.
Reaktion bei ".org" (und Google): Die "Urbevölkerung" von vor 2003 blieb grösstenteils. Die Community aber ist nicht mehr homogen und als solche verwässert. Google hat "noch" einen "Trust" in die TLD. Wir stehen da wohl bei ca. 1960/1970 oder so im Bronx Vergleich.
Aussicht auf die Zukunft: Die Mittelschicht wird natürlich .org auf Dauer verlassen, so wie sie das in der Bronx getan hat. Wohin? Natürlich in andere TLD's. So bewirbt sich PIR gerade um eine neue (diesmal aber wieder wirklich auf die dahinterstehende Community begrenzte) Community-TLD "
.ngo" für NGO's (non governmental organisations). So wie z.B. UNICEF.ngo, RedCross.ngo oder Amnesty.ngo. Dann ist man wieder "unter sich". Und da passenderweise wieder PIR den Registry Operator spielen wird (mit Afilias als RSP) hat man den identischen Sales Channel! Plus man hat ja den "direkten Draht" zu den potentiellen Wegzöglingen: PIR kann seine ".org" Registranten einfach alle anmailen, und ihnen nahelegen als verifizierbare NGO doch unter das neue, exclusive Dach zu flüchten.
Klar: Niemand der in ".org" investiert hat will das Stand 2011 wahr haben, keiner kann es sich Stand heute vorstellen. Es konnte sich ja auch 1949 kaum einer vorstellen, dass die Bronx sich zu dem entwickeln wird, was sie heute ist. Hausbesitzer in der Bronx hätten Dich damals ausgelacht. "Augen zu und durch". "Wird wohl net so schlimm werden". Durchhalteparolen sind beliebt. Unerfreuliche Wahrheiten nerven, stören das Geschäft und werden bewusst und unbewusst negiert, der Überbringer derselben gesteinigt.
Eine produkt-domain.org rankt supi in Google. Wegen des "Trusts". Leider ist jede einzelne produkt-domain.org die in Google hochgejubelt wird ein weiteres Steinchen im Getriebe. Eine fröhliche, kollektiv und mit sichtlichem Stolz betriebene Astsägerei-Orgie findet da statt, auf dem Rücken der die TLD tragenden "Trust"-Träger. Bis der Ast eines Tages ab ist. Solange sägen wir fröhlich weiter.
"Man, Alexander, warum übertreibst Du nur immer so wild? Nur weil ICH 10 produknamen.org Domains via Minisites oder Automatik-Portal in Google hochjuble geht die gesamte .org den Bach runter? Du phantasierst". So eben ist das bei Kollektiv-Verschuldung: Jeder einzelne rechtfertigt sich und begründet geschmeidig die Irrelevanz und Folgelosigkeit seines persönlichen Tuns. Das aber ändert nichts am Gesamtbild.
Wenn Sedo diese von uns Domainern und SEO's "selbstverschuldete" kollektive Niedergangs-Bewegung -die Zweckentfremdung der .org um den Trust auszunutzen- nicht unterstützt findet das meine persönliche Anerkennung: WELL DONE! Mutig. Gewissen vor Geldgier, findet man heute selten.
Sorry für diese ungeschminkten Hintergrundinfos. Habe -wie immer- ein wenig akzentuiert. Um zum Nachdenken zu bewegen muss eben ein wenig überzeichnen. Inhaber von .org's keine Panik: Die werden -wie die Häuser in der Bronx- nicht über Nacht wertlos.