www.virtuelle-kandidaten.de
Ein eigenartiger Mehrkampf um die Kanzlerkandidatur im Internet / Von Volker Hagemeister
FRANKFURT, 23. Oktober. Offiziell hat das Rennen um die Kanzlerkandidatur zwischen Angela Merkel und Edmund Stoiber noch gar nicht begonnen. Im Internet ist es dagegen schon voll entbrannt. Das mußte nun die für die CDU tätige Werbeagentur McCann-Erickson feststellen, als sie sich nach der Internetadresse www.bundeskanzlerin.de erkundigte. Die Public-Relations-Fachleute kamen zu spät: Der 26 Jahre alte Student Lars Mischa Heitmüller hatte sich die Domain schon Ende 1998 sichern lassen. Allerdings nicht, um Angela Merkel zu unterstützen, schließlich hatte sie selbst wohl zu diesem Zeitpunkt nicht daran gedacht, sich jemals für diese Adresse interessieren zu müssen. Heitmüllers Motiv, so sagt er, sei der Protest dagegen gewesen, daß niemand Frauen zutraue, Macht auszuüben. Weder Bundespräsidialamt noch Bundeskanzleramt seien auf die Idee gekommen, sich die Internetadressen www.bundespraesidentin.de und www.bundeskanzlerin.de zu sichern. Das prangert Heitmüller unter www.bundespraesidentin.de an und bietet einer künftigen Bündespräsidentin an, ihr bei einem Abendessen diese Domain zu schenken, wobei er dazu freilich rechtlich auch wohl gezwungen wäre. Denn Inhaber von Domains müssen diese abgeben, wenn ein anderer Antragsteller ein besseres Recht an ihnen vorweisen kann. Das haben Gerichte bei Domainnamen von Firmen, Marken, Behörden oder Gemeinden zu deren Gunsten bejaht.
Heitmüller verweist zudem auf weitere seiner Domains. Sie zeigen, daß er nicht nur frauenpolitisch motiviert ist, wenngleich neben www.Blutspenden.de oder www.NeueMitte.de auch www.gleichberechtigung.de zu finden ist. "Man muß schnell sein", sagt er, denn jeder Bürger könne sich Internetadressen bei der deutschen Domainvergabeagentur Denic sichern. Geld verdienen sei zwar nicht sein Hauptmotiv, aber bei www.bundeskanzlerin.de müsse man schon mit der Werbeagentur der CDU ins Geschäft kommen, solange Merkel nicht Bundeskanzlerin sei.
Bisher ist die CDU-Vorsitzende im Internet nur unter www.angela-merkel.de zu finden. Eine andere Adresse, die naheliegt, ist ebenfalls schon vergeben, und auch hier könnten die Verhandlungen schwierig werden: Unter www.kanzlerkandidatin.de findet man die Junge Union, allerdings den Ortsverband München. Die hier zu vermutende Adresse www.kanzlerkandidat.de ist zwar ebenfalls in den Händen forscher Nachwuchspolitiker, doch handelt es dabei um die Junge Union Hürth. Die Nachwuchspolitiker allerdings hatten, als sie sich die Adresse sichern ließen, nicht Edmund Stoiber im Sinn, sondern - wie die Zeit vergeht! - Jürgen Rüttgers: Nach den für die CDU erstaunlich erfolgreichen Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen legten die Nachwuchspolitiker im Herbst 1999 unter www.kanzlerkandidat.de einen Link zur Homepage von Rüttgers. Der CDU-Landesvorsitzende zeigte sich davon allerdings gar nicht so begeistert, zumindest nicht im Herbst des vergangenen Jahres, als ein SPD-Konkurrent den Sachverhalt öffentlich machte. Seitdem findet man unter www.kanzlerkandidat.de den Vorsitzenden der Jungen Union Hürth und erfährt, daß er eine Bankausbildung bei der Kreissparkasse Köln absolviert hat. Der zwanzig Jahre alte Stefan Nüchter aus Efferen verspricht, neben bundes- und landespolitischen Themen verstärkt auch kommunalpolitische Themen in Angriff zu nehmen.
Für Merkel käme natürlich auch die Seite www.kanzlerin.de in Frage. Hier droht auch kein Streit in der Partei Streit, denn diese Adresse ist im Besitz einer Internetagentur; es wäre also wohl nur eine Frage des Preises. www.merkel.de ist dagegen schon an eine Universitätsbuchhandlung aus Erlangen vergeben. Besser hat es Stoiber gemacht: Er ist unter www.stoiber.de zu erreichen. Da www.bundeskanzler.de schon für die Bundesregierung reserviert ist, bliebe noch www.kanzler.de. Dahinter verbirgt sich die Medienagentur fairmedia, die diese Internetadresse als politische Satireplattform nutzen möchte. Eine Medienagentur dürfte jedoch nicht vollkommen abgeneigt sein, diese Adresse im Fall des Falles an Stoibers Mannschaft abzutreten. Sorgen sollte sich Stoiber allerdings trotzdem über die Internetfront machen: Unter www.stopptstoiber.de erfährt man, daß hier soeben eine Homepage freigeschaltet worden ist, auf der noch keine Inhalte hinterlegt sind. Wird hier etwa eine Kampagne von Merkel-Anhängern vorbereitet? Die Stoiber-Anhänger sollten sich langsam beeilen: Die Adresse www.stopptmerkel.de ist noch zu haben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.2001, Nr. 247 / Seite 14
Ein eigenartiger Mehrkampf um die Kanzlerkandidatur im Internet / Von Volker Hagemeister
FRANKFURT, 23. Oktober. Offiziell hat das Rennen um die Kanzlerkandidatur zwischen Angela Merkel und Edmund Stoiber noch gar nicht begonnen. Im Internet ist es dagegen schon voll entbrannt. Das mußte nun die für die CDU tätige Werbeagentur McCann-Erickson feststellen, als sie sich nach der Internetadresse www.bundeskanzlerin.de erkundigte. Die Public-Relations-Fachleute kamen zu spät: Der 26 Jahre alte Student Lars Mischa Heitmüller hatte sich die Domain schon Ende 1998 sichern lassen. Allerdings nicht, um Angela Merkel zu unterstützen, schließlich hatte sie selbst wohl zu diesem Zeitpunkt nicht daran gedacht, sich jemals für diese Adresse interessieren zu müssen. Heitmüllers Motiv, so sagt er, sei der Protest dagegen gewesen, daß niemand Frauen zutraue, Macht auszuüben. Weder Bundespräsidialamt noch Bundeskanzleramt seien auf die Idee gekommen, sich die Internetadressen www.bundespraesidentin.de und www.bundeskanzlerin.de zu sichern. Das prangert Heitmüller unter www.bundespraesidentin.de an und bietet einer künftigen Bündespräsidentin an, ihr bei einem Abendessen diese Domain zu schenken, wobei er dazu freilich rechtlich auch wohl gezwungen wäre. Denn Inhaber von Domains müssen diese abgeben, wenn ein anderer Antragsteller ein besseres Recht an ihnen vorweisen kann. Das haben Gerichte bei Domainnamen von Firmen, Marken, Behörden oder Gemeinden zu deren Gunsten bejaht.
Heitmüller verweist zudem auf weitere seiner Domains. Sie zeigen, daß er nicht nur frauenpolitisch motiviert ist, wenngleich neben www.Blutspenden.de oder www.NeueMitte.de auch www.gleichberechtigung.de zu finden ist. "Man muß schnell sein", sagt er, denn jeder Bürger könne sich Internetadressen bei der deutschen Domainvergabeagentur Denic sichern. Geld verdienen sei zwar nicht sein Hauptmotiv, aber bei www.bundeskanzlerin.de müsse man schon mit der Werbeagentur der CDU ins Geschäft kommen, solange Merkel nicht Bundeskanzlerin sei.
Bisher ist die CDU-Vorsitzende im Internet nur unter www.angela-merkel.de zu finden. Eine andere Adresse, die naheliegt, ist ebenfalls schon vergeben, und auch hier könnten die Verhandlungen schwierig werden: Unter www.kanzlerkandidatin.de findet man die Junge Union, allerdings den Ortsverband München. Die hier zu vermutende Adresse www.kanzlerkandidat.de ist zwar ebenfalls in den Händen forscher Nachwuchspolitiker, doch handelt es dabei um die Junge Union Hürth. Die Nachwuchspolitiker allerdings hatten, als sie sich die Adresse sichern ließen, nicht Edmund Stoiber im Sinn, sondern - wie die Zeit vergeht! - Jürgen Rüttgers: Nach den für die CDU erstaunlich erfolgreichen Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen legten die Nachwuchspolitiker im Herbst 1999 unter www.kanzlerkandidat.de einen Link zur Homepage von Rüttgers. Der CDU-Landesvorsitzende zeigte sich davon allerdings gar nicht so begeistert, zumindest nicht im Herbst des vergangenen Jahres, als ein SPD-Konkurrent den Sachverhalt öffentlich machte. Seitdem findet man unter www.kanzlerkandidat.de den Vorsitzenden der Jungen Union Hürth und erfährt, daß er eine Bankausbildung bei der Kreissparkasse Köln absolviert hat. Der zwanzig Jahre alte Stefan Nüchter aus Efferen verspricht, neben bundes- und landespolitischen Themen verstärkt auch kommunalpolitische Themen in Angriff zu nehmen.
Für Merkel käme natürlich auch die Seite www.kanzlerin.de in Frage. Hier droht auch kein Streit in der Partei Streit, denn diese Adresse ist im Besitz einer Internetagentur; es wäre also wohl nur eine Frage des Preises. www.merkel.de ist dagegen schon an eine Universitätsbuchhandlung aus Erlangen vergeben. Besser hat es Stoiber gemacht: Er ist unter www.stoiber.de zu erreichen. Da www.bundeskanzler.de schon für die Bundesregierung reserviert ist, bliebe noch www.kanzler.de. Dahinter verbirgt sich die Medienagentur fairmedia, die diese Internetadresse als politische Satireplattform nutzen möchte. Eine Medienagentur dürfte jedoch nicht vollkommen abgeneigt sein, diese Adresse im Fall des Falles an Stoibers Mannschaft abzutreten. Sorgen sollte sich Stoiber allerdings trotzdem über die Internetfront machen: Unter www.stopptstoiber.de erfährt man, daß hier soeben eine Homepage freigeschaltet worden ist, auf der noch keine Inhalte hinterlegt sind. Wird hier etwa eine Kampagne von Merkel-Anhängern vorbereitet? Die Stoiber-Anhänger sollten sich langsam beeilen: Die Adresse www.stopptmerkel.de ist noch zu haben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.2001, Nr. 247 / Seite 14