neue Masche:
Info dazu
DasErste.de - [plusminus - Abzocke im Internet (05.02.2008)
Daran, dass Anja und Jens R. vor drei Monaten Post vom Anwalt ins Haus flatterte, sind ihre Wellensittiche schuld. Dabei wollten Anja und Jens nur anderen Sittichliebhabern einige Tipps geben. Sie erstellten auf ihrer privaten Seite im Internet eine Ernährungstabelle und fügten einige Fotos von Lebensmitteln hinzu. Die Fotos hatten sie über Google im Netz gefunden. Und dann kam eine saftige Rechnung. Rund 8.600 Euro verlangt der Fotograf für die Rechte an seinen Fotos - inklusive Anwaltsgebühren für die Abmahnung.
Jens R. versteht die Welt nicht mehr: „Ich dachte, mich haut es um. Wegen einer Zwiebel, einer Gurke und einer Möhre, die da im Internet... Dabei waren das auch noch kleine Minibildchen mit ganz geringer Auflösung, die man kaum mit dem bloßen Auge erkennen konnte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass da jemand soviel Geld dafür haben will.“
Ein Internet-Kochbuch mit Tücken?
Die Fotos stammen von Folkert Knieper. Zusammen mit seiner Frau Marion hat er ein Internet-Kochbuch erstellt und mit den Fotos illustriert.
Neben Jens und Anja R., so schätzt man, wurden bisher schon Hunderte von anderen Internet-Nutzern abgemahnt. Vor dem Hamburger Landgericht klagt Knieper gegen den Betreiber eines Internet-Forums, dem ein Teilnehmer Fotos von Knieper ins Forum gestellt hatte – von Brötchen und Brezeln.
Carsten G. wurde zunächst abgemahnt, hat aber nicht bezahlt. Nun sitzt er vor Gericht: „Wir sind gestern vier Stunden angereist. Nach Hamburg. Wegen eines Brötchenfotos, eines Brezelfotos. Insgesamt waren es, glaube ich, vier oder fünf. Und für ein Bild, das ich nicht hochgeladen habe, für das ich jetzt aber verantwortlich gemacht werden soll.“
Fotograf Knieper sieht sich im Recht: „Das sagt doch schon das Gesetz aus. Wenn Sie ein Bild nicht selbst fotografiert haben, dass müssen sie den Urheber fragen. Dafür gibt es ein Urheberrecht.“ Und das ist eindeutig auf der Seite des Fotografen.
Eine Sache mit System?
Vor Gericht haben die Betroffenen kaum eine Chance. Die meisten Richter schauen nämlich nicht danach, wie ein möglicher Irrtum zustande kam. Der Mönchengladbacher Anwalt Sascha Kremer vertritt allein fast 30 Abgemahnte. Er glaubt, dass seine Mandanten gezielt in eine Urheberrechts-Falle gelockt wurden.
Sascha Kremer sieht das Geschäft von Knieper so: „Was er macht, ist Fotos zu gestalten, ins Internet zu stellen und alles dafür zu tun, dass diese Fotos verbreitet werden. Als Angler würde man sagen: Er legt Köder aus für die Internetnutzer und sammelt nachher die Fische ein, indem er ihnen Abmahnungen zuschickt.“
Ein teuerer Irrtum?
Anja R. erkannte auf den ersten Blick nicht, dass die Bilder, die Google in „Marions Kochbuch“ fand, nicht benutzt werden dürfen. Kein Urheberschutzhinweis auf den Fotos. Auf der ersten Kochbuchseite, noch bevor über die Urheberrechte aufgeklärt wird, fand sie hingegen den Satz: „(...) kostenlos Rezepte mit Foto (...)“. Für Anja R. war damit die Sache klar: „Da ich (…) noch nicht erlebt habe, dass man fürs Anschauen von Bildern und Rezepten zahlen muss, versteh ich das ja als Laie so, dass diese Bilder und Rezepte frei sind.“
Google macht es möglich
Bei der Google Bildsuche kommt man an Kniepers Fotos kaum noch vorbei. [plusminus versucht es mit „Paprika“. Platz drei und vier in der Google-Trefferliste. Bei „Tomaten“ gibt es sogar einen Volltreffer: Platz 1. Über eine Millionen Mitbewerber hat das Foto hinter sich gelassen.
Wie es kommt, dass die Bilder aus Marions Kochbuch so weit vorne stehen, erklärt der Web-Designer Timo Strohm: „Ich würde es mit dem Doping beim Sport vergleichen. Wir haben hier ein vergleichsweise kleines Kochbuch, dass alle Großen im Rennen um die ersten Plätze überholt. Da liegt es sehr nahe, dass Tricks und Manipulationen im Spiel sind.“
Trick Nr. 1
Das Kochbuch enthält im Anhang eine Art Lexikon. Lexika wertet Google besonders hoch. Darin aufgeführt sind Zutaten in alphabetischer Reihenfolge – seitenweise. Bei Marions Kochbuch erfährt man z.B. über Lauch, er sei reich an Eisen. Das ist Quatsch, führt aber dennoch zum Erfolg, wie Timo Strohm weiß: „Das Programm kann nicht feststellen, ob man es hier mit echter Wissenschaft zu tun hat oder mit Seiten, die nur so aussehen sollen, als wäre hier ein wissenschaftliches Fachlexikon.“
Trick Nr. 2
An den Zutatenbeschreibungen, die Marion alle selbst geschrieben haben will, die aber anderen Lexika verblüffend ähneln, hängen seitenweise einfach nur Links. Allein bei Salz: 90 Seiten voll mit Verweisen auf Rezepte, die man mit Salz kochen kann. So was sucht natürlich keiner. Doch Tausende solcher Verknüpfungen, die bei Google ausdrücklich unerwünscht sind, lassen Marions Kochbuch für die Suchmaschine immer wichtiger erscheinen.
Timo Strohm sieht darin nur einen Zweck: „Es geht nicht um Rezepte. Es geht darum, Seiten, die Bilder enthalten, bei Google höher zu stufen.“ So hoch, dass zum Beispiel die Zwiebeln aus Marions Kochbuch bei Goolge in Russland auf den ersten beiden Plätzen landen.
Es gibt kein Pardon!
Weltweit verbreitet und dann kopiert, kommen die Bilder irgendwann wieder nach Deutschland zurück. Im Bundesligaforum von Jürgen B. begrüßte ein Teilnehmer die anderen mit einem Eisteefoto von Knieper, das aus Spanien kam. B. bekam die Abmahnung vom Fotografen – knapp 700 Euro sollte er zahlen.
Jürgen B. erinnert sich: „Nachdem ich die Abmahnung bekommen habe, habe ich das Bild umgehend aus dem Forum gelöscht und mich an die Gegenseite, den Herrn Knieper, gewandt und ihn gebeten, das als erledigt zu betrachten. Ich habe auch gar nicht gewusst, dass das Bild drin stand. Er habe dann noch versucht mit Knieper zu telefonieren, habe ihn auch ans Telefon bekommen. Doch der hätte ihm nur empfohlen, „doch umgehend zu zahlen“, sagt Jürgen B.
Das jedoch hat Jürgen B. nicht eingesehen, ging vor Gericht – und verlor. Und so kostet ihn der Eistee jetzt rund 3.000 Euro.
Fazit
Kniepers weltweite Bilderverteilung bringen ihm und seinen Anwälten reichlich Geld. Hunderttausende, so schätzt man, fordert der Fotograf. Zu stoppen ist das nur durch Google und Richter, die Urheberrechtsverletzungen auch danach beurteilen, wie sie zustande gekommen sind. Anja und Jens R. haben sich bisher geweigert zu zahlen, aber auch Konsequenzen gezogen: Sie lassen die Finger von Fotos im Internet – und machen sie im Zweifel lieber selbst.
Ein Beitrag von Wolfgang Huhn/ARD
Info dazu
DasErste.de - [plusminus - Abzocke im Internet (05.02.2008)
Daran, dass Anja und Jens R. vor drei Monaten Post vom Anwalt ins Haus flatterte, sind ihre Wellensittiche schuld. Dabei wollten Anja und Jens nur anderen Sittichliebhabern einige Tipps geben. Sie erstellten auf ihrer privaten Seite im Internet eine Ernährungstabelle und fügten einige Fotos von Lebensmitteln hinzu. Die Fotos hatten sie über Google im Netz gefunden. Und dann kam eine saftige Rechnung. Rund 8.600 Euro verlangt der Fotograf für die Rechte an seinen Fotos - inklusive Anwaltsgebühren für die Abmahnung.
Jens R. versteht die Welt nicht mehr: „Ich dachte, mich haut es um. Wegen einer Zwiebel, einer Gurke und einer Möhre, die da im Internet... Dabei waren das auch noch kleine Minibildchen mit ganz geringer Auflösung, die man kaum mit dem bloßen Auge erkennen konnte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass da jemand soviel Geld dafür haben will.“
Ein Internet-Kochbuch mit Tücken?
Die Fotos stammen von Folkert Knieper. Zusammen mit seiner Frau Marion hat er ein Internet-Kochbuch erstellt und mit den Fotos illustriert.
Neben Jens und Anja R., so schätzt man, wurden bisher schon Hunderte von anderen Internet-Nutzern abgemahnt. Vor dem Hamburger Landgericht klagt Knieper gegen den Betreiber eines Internet-Forums, dem ein Teilnehmer Fotos von Knieper ins Forum gestellt hatte – von Brötchen und Brezeln.
Carsten G. wurde zunächst abgemahnt, hat aber nicht bezahlt. Nun sitzt er vor Gericht: „Wir sind gestern vier Stunden angereist. Nach Hamburg. Wegen eines Brötchenfotos, eines Brezelfotos. Insgesamt waren es, glaube ich, vier oder fünf. Und für ein Bild, das ich nicht hochgeladen habe, für das ich jetzt aber verantwortlich gemacht werden soll.“
Fotograf Knieper sieht sich im Recht: „Das sagt doch schon das Gesetz aus. Wenn Sie ein Bild nicht selbst fotografiert haben, dass müssen sie den Urheber fragen. Dafür gibt es ein Urheberrecht.“ Und das ist eindeutig auf der Seite des Fotografen.
Eine Sache mit System?
Vor Gericht haben die Betroffenen kaum eine Chance. Die meisten Richter schauen nämlich nicht danach, wie ein möglicher Irrtum zustande kam. Der Mönchengladbacher Anwalt Sascha Kremer vertritt allein fast 30 Abgemahnte. Er glaubt, dass seine Mandanten gezielt in eine Urheberrechts-Falle gelockt wurden.
Sascha Kremer sieht das Geschäft von Knieper so: „Was er macht, ist Fotos zu gestalten, ins Internet zu stellen und alles dafür zu tun, dass diese Fotos verbreitet werden. Als Angler würde man sagen: Er legt Köder aus für die Internetnutzer und sammelt nachher die Fische ein, indem er ihnen Abmahnungen zuschickt.“
Ein teuerer Irrtum?
Anja R. erkannte auf den ersten Blick nicht, dass die Bilder, die Google in „Marions Kochbuch“ fand, nicht benutzt werden dürfen. Kein Urheberschutzhinweis auf den Fotos. Auf der ersten Kochbuchseite, noch bevor über die Urheberrechte aufgeklärt wird, fand sie hingegen den Satz: „(...) kostenlos Rezepte mit Foto (...)“. Für Anja R. war damit die Sache klar: „Da ich (…) noch nicht erlebt habe, dass man fürs Anschauen von Bildern und Rezepten zahlen muss, versteh ich das ja als Laie so, dass diese Bilder und Rezepte frei sind.“
Google macht es möglich
Bei der Google Bildsuche kommt man an Kniepers Fotos kaum noch vorbei. [plusminus versucht es mit „Paprika“. Platz drei und vier in der Google-Trefferliste. Bei „Tomaten“ gibt es sogar einen Volltreffer: Platz 1. Über eine Millionen Mitbewerber hat das Foto hinter sich gelassen.
Wie es kommt, dass die Bilder aus Marions Kochbuch so weit vorne stehen, erklärt der Web-Designer Timo Strohm: „Ich würde es mit dem Doping beim Sport vergleichen. Wir haben hier ein vergleichsweise kleines Kochbuch, dass alle Großen im Rennen um die ersten Plätze überholt. Da liegt es sehr nahe, dass Tricks und Manipulationen im Spiel sind.“
Trick Nr. 1
Das Kochbuch enthält im Anhang eine Art Lexikon. Lexika wertet Google besonders hoch. Darin aufgeführt sind Zutaten in alphabetischer Reihenfolge – seitenweise. Bei Marions Kochbuch erfährt man z.B. über Lauch, er sei reich an Eisen. Das ist Quatsch, führt aber dennoch zum Erfolg, wie Timo Strohm weiß: „Das Programm kann nicht feststellen, ob man es hier mit echter Wissenschaft zu tun hat oder mit Seiten, die nur so aussehen sollen, als wäre hier ein wissenschaftliches Fachlexikon.“
Trick Nr. 2
An den Zutatenbeschreibungen, die Marion alle selbst geschrieben haben will, die aber anderen Lexika verblüffend ähneln, hängen seitenweise einfach nur Links. Allein bei Salz: 90 Seiten voll mit Verweisen auf Rezepte, die man mit Salz kochen kann. So was sucht natürlich keiner. Doch Tausende solcher Verknüpfungen, die bei Google ausdrücklich unerwünscht sind, lassen Marions Kochbuch für die Suchmaschine immer wichtiger erscheinen.
Timo Strohm sieht darin nur einen Zweck: „Es geht nicht um Rezepte. Es geht darum, Seiten, die Bilder enthalten, bei Google höher zu stufen.“ So hoch, dass zum Beispiel die Zwiebeln aus Marions Kochbuch bei Goolge in Russland auf den ersten beiden Plätzen landen.
Es gibt kein Pardon!
Weltweit verbreitet und dann kopiert, kommen die Bilder irgendwann wieder nach Deutschland zurück. Im Bundesligaforum von Jürgen B. begrüßte ein Teilnehmer die anderen mit einem Eisteefoto von Knieper, das aus Spanien kam. B. bekam die Abmahnung vom Fotografen – knapp 700 Euro sollte er zahlen.
Jürgen B. erinnert sich: „Nachdem ich die Abmahnung bekommen habe, habe ich das Bild umgehend aus dem Forum gelöscht und mich an die Gegenseite, den Herrn Knieper, gewandt und ihn gebeten, das als erledigt zu betrachten. Ich habe auch gar nicht gewusst, dass das Bild drin stand. Er habe dann noch versucht mit Knieper zu telefonieren, habe ihn auch ans Telefon bekommen. Doch der hätte ihm nur empfohlen, „doch umgehend zu zahlen“, sagt Jürgen B.
Das jedoch hat Jürgen B. nicht eingesehen, ging vor Gericht – und verlor. Und so kostet ihn der Eistee jetzt rund 3.000 Euro.
Fazit
Kniepers weltweite Bilderverteilung bringen ihm und seinen Anwälten reichlich Geld. Hunderttausende, so schätzt man, fordert der Fotograf. Zu stoppen ist das nur durch Google und Richter, die Urheberrechtsverletzungen auch danach beurteilen, wie sie zustande gekommen sind. Anja und Jens R. haben sich bisher geweigert zu zahlen, aber auch Konsequenzen gezogen: Sie lassen die Finger von Fotos im Internet – und machen sie im Zweifel lieber selbst.
Ein Beitrag von Wolfgang Huhn/ARD