(nicht nur, aber insbesondere) @ Stefan A. Strewe:
Hallo Stefan,
so sehr ich Dir in vielen Deiner Postings zustimmen kann, bin ich diesmal in einigen wesentlichen Punkten ganz anderer Meinung.
> "Wir werden die Täter jagen und zur
> Strecke bringen." George W. Bush
> Was bringt das ausser der Befriedigung
> nationaler Rachegelüste?
Um eines von vorneherein klarzustellen: Ich bin Gegner jedweder kriegerischer Auseinandersetzung und halte den seit über 50 Jahren in weitesten Teilen der westlichen Welt währenden Frieden für eine der wertvollsten Voraussetzungen, die uns heute zur Verfügung gestellt werden.
Dennoch bin ich der Meinung, dass ein eventueller (und wahrscheinlicher) Gegenschlag der USA -gegen wen auch immer, wir werden es sehen- nicht nur verständlich, sondern auch notwendig ist. Solch hochgradig fundamentalistische und fanatische Gegner unserer Freiheit, unseres Friedens und unserer Demokratie verstehen -so sehr ich das bedauere- keine andere Sprache als die der Gewalt.
Jemand, der eine so hinterhältige, menschenverachtende und apokalyptische Tat (nicht nur gegen die Vereinigten Staaten, sondern gegen die gesamte Menschheit!) so kaltblütig plant und ausführt, darf weder Gnade noch Verständnis erwarten und muss aufs Härteste sanktioniert werden.
Wenn man sich vor Augen führt, mit welchem Typus von Gegner man es hier zu tun hat (Täter, die so fanatisch sind, dass sie gerne ihren eigenen Tod in Kauf nehmen und dafür von ihrem Volk bejubelt werden), sollte einem schnell klarwerden, dass man mit solchen Gruppierungen und deren Umfeld (Finanziers, Sympathisanten, eventuell ganzer Volksgruppen - siehe die jubelnden Palästinenser, um nur ein Beispiel zu nennen) NICHT verhandeln kann und darf.
> Die USA müssen - nicht als Reaktion
> auf das Attentat sondern als schon
> länger bestehende objektive Notwendigkeit
> - wieder zu ihrer früheren, neutraleren
> Vermittlerrolle zurück kehren
Nochmals: Angesichtes solcher kriegerischer (!) und terroristischer Taten erledigt sich aus meiner Sicht jegliches Bemühen in Sachen "Vermittlerrolle". Und ebenfalls noch einmal: Es gibt auf unserer Welt (leider!) Menschen, die ausser der Gewalt keine andere Sprache verstehen. Ich gebe zu, dass das für einen westlich denkenden Menschen sehr schwer nachzuvollziehen und noch schwerer, wenn nicht gar unmöglich zu verstehen ist. Aber es ist so.
Zu Deinen Ausführungen bezgl. George W. Bush:
Ich muss sagen, dass ich sehr wenig von Bush halte: Er macht auf mich keinen sehr intelligenten und schon garkeinen kompetenten Eindruck, und ich halte ihn für den schlechtesten und unwürdigsten Präsidenten, den die Vereinigten Staaten in der Nachkriegszeit hatte.
Dennoch muss man sich vor Augen führen, dass so weitreichende und die Weltpolitik nachhaltig beeinflussenden Entscheidungen wie z.B. einen militärischen Gegenschlag niemals von einem Präsidenten alleine entschieden und getragen werden. Der Präsident der USA hat einen beispiellosen Stab von hochqualifizierten und äusserst kompetenten Beratern - eine Weltmacht wie die USA wird nicht von einem einzigen Mann gesteuert.
Insofern würde nicht nur ein (radikal) republikanischer Präsident und Waffennarr, Texaner und Nationaler wie George W. Bush ernsthaft über einen Gegenschlag nachdenken und ihn propagieren, sondern höchstwahrscheinlich ein gemässigter Demokrat vom Schlage eines Bill Clinton nicht viel anders reagieren und entscheiden.
Man sollte -was auch immer geschehen wird- immer daran denken, dass dieser generalstabsmässig organisierte Terrorakt aller Erwartung nach so viele Opfer gefordert hat und fordern wird, wie kein anderer jemals zuvor. Selbst ein Vergleich mit "Pearl Harbour" hinkt: Bei diesem kamen "nur" 2000 Menschen um, hauptsächlich Militär. Es war kein ureigenes US-Territorium, sondern "nur" Hawai.
Ich möchte dieses "nur" nicht falsch verstanden wissen - ich benutze es nur, um die Dimensionen des gestrigen Terroraktes deutlich zu machen.
Der gestrige Anschlag war in jeder Hinsicht mehr als ein "gewöhnlicher" Akt des Terrorismus - es war eine eindeutige Kriegserklärung an das amerikanische Volk und die gesamte westliche Welt, die nicht unbeantwortet bleiben darf.
Die meisten von uns hier sind wahrscheinlich -ebenso wie ich, ich selbst bin 23- so jung, dass sie noch keinen Krieg erlebt haben. Dies ist, wenn man die Weltgeschichte der vergangenen Jahrhunderte betrachtet, zwar erfreulich, aber alles andere als selbstverständlich. Vielleicht haben wir alle, mich eingeschlossen, zunehmend gedacht, das sei selbstverständlich. Dass es dies nicht ist, und wie schnell sich das ändern kann, wurde uns allen vor 24 Stunden eindrucksvoll vorgeführt. Nach dem Ende des Kalten Krieges vor zwölf Jahren fiel eine jahrzehntelang bestehende Bedrohung (für beide Seiten) weg, aber es entstanden neue, nicht weniger gefährliche. Vielleicht sind militärische Bündnisse wie die NATO nicht -wie viele schon fröhlich verkünden- überholt, sondern (überlebens-)wichtiger und notwendiger denn je.
Kein Volk, keine Regierung und keine Staatengemeinschaft kann es sich leisten, einen solchen Affront tatenlos hinzunehmen, wie ihn die USA (und somit auch ihre Bündnispartner) erleben musste.
In diesem Sinne,
JCG