Statistik hin oder her.....
Nur mit wishful thinking funktioniert eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema aber auch nicht, darum nachfolgend nochmal ein paar aus dem Eurid-Report abgeleitete statistische Betrachtungen. Weil es in Bezug zur hier diskutierten Frage nach der Beliebtheit der Endung .eu wohl am besten passt habe ich mir nochmal die Tabellen "Relative popularity of .eu domain names compared to ccTLD registrations by country" aus den Berichten für das jeweils zweite Quartal der Jahre 2007, 2008 und 2009 vorgenommen. Da Verkaufstrends und -preise ja selbst innerhalb der Domainer nur für einen beschränkten Kreis von Nutzern von Interesse sind und nur wenig über die Akzeptanz der Endung in der Bevölkerung aussagen spielen diese Werte im folgenden keine Rolle. Ebenso ist die absolute Zahl der vergebenen Domains im jeweiligen Land für die nachfolgende Betrachtung irrelevant, es geht nur um die relativen Veränderungen über den Betrachtungszeitraum zwischen .eu und der jeweiligen ccTLD zwischen Q2/2007 und Q2/2009.
Annahme: Wenn die Beliebtheit der Endung .eu zunimmt, dann sollten auch die relativen Registrierungszahlen im Vergleich zu anderen Endungen das widerspiegeln. Nehmen also sowohl die Zahlen der national registrierten .eu- als auch der entsprechenden .ccTLD gleichermassen zu, dann sollte das nichts mit der Endung an sich, sondern beispielsweise mit einem allgemeinen Aufschwung oder gestiegenem Interesse am Internet zu tun haben. Ebenso liesse sich ein Rückgang über alle Endungen eher mit einer übergreifenden Krise als mit Änderungen der Popularität einzelner TLDs erklären.
Dank der Tabellen im Eurid-Report kann man diesen Vergleich zumindest für 21 der 27 EU-Staaten anstellen, für Bulgarien, Zypern, Griechenland, Lettland, Malta und Rumänien gibt Eurid leider keine oder nicht alle ccTLD-Daten an.
Bei einer angenommenen steigenden Popularität der Endung .eu unter den Internetnutzern sollte sie sich also unabhängig von absoluten Zahlen besser entwickeln als andere Endungen, welche den ansonsten gleichen wirtschaftlichen Bedingungen unterliegen. "Relativ" besser kann daher auch bedeuten, dass die Zahlen in einer allgemeinen Krise weniger stark fallen. Umgekehrt sollte es ein negatives Zeichen für .eu sein, wenn sich eine steigende Anzahl der Nutzer statt für .eu (wieder) für die jeweilige nationale ccTLD entscheidet.
Schauen wir uns das also nachfolgend mal für die einzelnen Staaten an, die Spalten erklären sich so:
.eu/1000 Q2/2007, .eu/1000 Q2/2008 und .eu/1000 Q2/2009:
Zahl der registrierten .eu-Domains pro 1000 Einwohner im jeweiligen Land zum Ende des entsprechenden Quartals
ccTLD/1000 Q2/2007, ccTLD/1000 Q2/2008 und ccTLD/1000 Q2/2009:
Zahl der registrierten Countrycode-Domains pro 1000 Einwohner im jeweiligen Land zum Ende des entsprechenden Quartals (also zum Beispiel .ie in Irland oder .at in Österreich)
rel .eu 07/08 und rel .eu 08/09: relative Veränderung der Anzahl der .eu-Domains pro 1000 Einwohner zwischen Ende Q2/2007 und Ende Q2/2008 bzw. zwischen Ende Q2/2008 und Ende Q2/2009 in Prozent
rel ccTLD 07/08 und rel .eu 08/09: relative Veränderung der Anzahl der .ccTLD-Domains pro 1000 Einwohner zwischen Ende Q2/2007 und Ende Q2/2008 bzw. zwischen Ende Q2/2008 und Ende Q2/2009 in Prozent
Bedeutung der Farben:
Grün: die relative Veränderung der Zahl der .eu-Registrierungen im Vergleichszeitraum war positiv und grösser als die Zunahme der ccTLD-Registrierungen ("es wurden mehr .eu-Domains neu registriert als gelöscht, die Zunahme ist stärker als das Wachstum der ccTLD-Registrierungen im gleichen Land")
Gelb: die relative Veränderung der Zahl der .eu-Registrierungen im Vergleichszeitraum war positiv, aber geringer als die Zunahme der ccTLD-Registrierungen ("es wurden mehr .eu-Domains neu registriert als gelöscht, die Zunahme ist aber dennoch geringer als das Wachstum der ccTLD-Registrierungen im gleichen Land")
Rot: die relative Veränderung der Zahl der .eu-Registrierungen im Vergleichszeitraum war negativ und geringer als die Zunahme der ccTLD-Registrierungen ("es wurden mehr .eu-Domains gelöscht als neu registriert, während die Zahl der ccTLD-Registrierungen im gleichen Land zugenommen hat")
Zwischen 2007 und 2008 war die relative Zunahme der Zahl der .eu-Domains in 12 der 21 betrachteten EU-Staaten grösser als das relative Wachstum der jeweiligen ccTLD. In acht weiteren EU-Staaten nahm die Zahl der registrierten .eu-Domains ebenfalls zu, wenn auch langsamer als die des entsprechenden Countycodes. Lediglich in Schweden war die Zahl der registrierten .eu-Domains zwischen dem zweiten Quartal 2007 und dem zweiten Quartal 2008 rückläufig, während die Zahl der registrierten .se-Domains im gleichen Zeitraum zunahm. Das reziproke Phänomen zeigte sich in Österreich, wo die Zahl der registrierten .at-Domains fiel, während .eu zweistellig zulegen konnte.
Zum Ende des zweiten Quartals 2009 hat sich die Situation praktisch umgekehrt. In 20 der 21 EU-Staaten stieg die relative Anzahl der jeweiligen Länderdomains stärker als die Zahl der im gleichen Land registrierten .eu-Domains. In fünf Staaten war nicht nur das relative, sondern auch das absolute Wachstum von .eu negativ, während die Zahl der Countrycodedomains gleichzeitig überall stieg. Lediglich in Ungarn wuchs zwischen 2008 und 2009 das Interesse an .eu-Domains stärker als das an .hu-Domains.
Fazit: Während .eu zwischen 2007 und 2008 gemessen an den relativen Veränderungen der Registrierungszahlen noch in 12 der 21 betrachteten EU-Staaten populärer war als die entsprechende Länderendung und absolut betrachtet in 20 der 21 Länder zulegen konnte traf das in den vergangenen zwölf Monaten nur noch in Ungarn zu. In allen anderen Ländern war die Popularität der entsprechenden Länderendung (wieder) höher als die von .eu, während in fünf Staaten sogar die absolute Anzahl der vergebenen .eu-Domains abnahm. In diesen fünf Ländern legte wie auch in allen anderen EU-Staaten die Zahl der vergebenen Länderdomains jedoch weiterhin zu, so dass der relative Rückgang des Interesses an .eu sich nicht mit einer allgemeinen oder länderspezifischen Krise erklären lässt, sondern auf für die Endung spezifische Gründe zurückgeführt werden muss.
Darüber warum die Popularität der .eu überall ausser in Ungarn nicht nur hinter der der ccTLDs liegt, sondern im Verhältnis sogar noch weiter abnimmt kann ich allerdings auch nur spekulieren. Ich vermute den meisten ist das ganze Konstrukt EU einfach nicht geheuer...
Gruss,
Holger
P.S. Ich habe mir mal erlaubt den ganzen Thread ins TLD-Forum zu verschieben. Da passt er besser hin.