Hallo zusammen,
ich wurde gebeten, hierzu kurz meinen Senf abzugeben *Senfglas aufmach*:
Zunächst kurz zum BGH-Urteil zu sr.de (BGH, Urteil vom 06.11.2013, Az.: I ZR 153/12 – sr.de). Hierbei handelt es sich imho um ein vielfach fehlverstandenes und fehlinterpretiertes Urteil. Wenn man das Urteil tatsächlich liest (und nicht nur die Zusammenfassungen und Leitsätze), dann findet man in den Entscheidungsgründen folgendes (Rn. 19 bis 21):
"[19] aa) Der Kläger hat die Unternehmensbezeichnung "sr" durch die Registrierung des Domainnamens "sr. de" namensmäßig gebraucht.
[20] (1) Allerdings hat das Berufungsgericht angenommen, aus dem Umstand, dass die Abkürzung "sr" als Unternehmenskennzeichen geschützt sei, folge nicht ohne weiteres, dass diese Bezeichnung bei einer Verwendung als Internetadresse auf den Namen des Betreibers hinweise. Eine aus zwei Buchstaben bestehende Abkürzung werde nicht stets als Hinweis auf einen Namen aufgefasst;
vielmehr sei es aus Sicht der angesprochen Verkehrskreise ebenso möglich, dass eine solche Buchstabenfolge als Abkürzung für ein oder zwei Worte stehe, mit denen der unter diesem Domainnamen aufrufbare Inhalt bezeichnet werde.
[21] (2) Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden.
Zwar ist es denkbar, dass der Verkehr in einem Domainnamen ausschließlich eine Beschreibung des Inhalts der damit bezeichneten Website sieht (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 – I ZR 135/10, GRUR 2012, 832 Rn. 22 f. = WRP 2012, 940 – ZAPPA). Insoweit sind jedoch konkrete Feststellungen erforderlich. Daran fehlt es hier. Das Berufungsgericht hat keinerlei Feststellungen dazu getroffen, welche inhaltsbeschreibende Bedeutung die Abkürzung "sr" haben könnte. Es bleibt deshalb bei dem Grundsatz, dass schon in dem Registrieren eines Namens und der Aufrechterhaltung der Registrierung ein Namensgebrauch liegt (vgl. BGH, GRUR 2008, 1099 Rn. 19 – afilias. de)." (Hervorhebungen durch mich)
Im von mir hervorgehobenen Teil sieht man, dass in diesem Urteil offenbar keine Feststellungen getroffen worden sind, welche beschreibenden Bedeutungen die Abkürzung "sr" haben kann. Ohne die zugrundeliegenden Parteischriftsätze zu kennen, vermute ich, dass es hier am konkreten Vortrag der betroffenen Partei gefehlt hat.
Gleiches findet man im Urteil zu "fc.de" (LG Köln, Urteil vom 09.08.2016, Az.: 33 O 250/15):
"Insoweit kann sich der Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Kürzel in den angesprochenen Verkehrskreisen in Deutschland umgangssprachlich allgemein für „Fussballclub“ verwendet werde bzw. auch für andere Begriffe stehe.
Denn dazu fehlt jedweder nachvollziehbare Vortrag." (Hervorhebung durch mich)
Auch hier kenne ich die Parteischriftsätze nicht, daher kann ich nur vermuten, dass hier wohl nicht ausreichend vorgetragen worden ist.
Ich hatte kurioserweise bereits in 2011 als Rechtsanwalt in einem Klageverfahren den Domaininhaber einer zweistelligen .de-Domain (Beklagter) vertreten. Ich hatte den Fall in meinem Blog fiktiv geschildert und dabei die (fiktive) Domain "fc.de" verwendet (siehe "Kurzdomains unter Beschuss"):
Fälle aus der Praxis eines Fachanwalts für IT-Recht
Der Fall fand ebenfalls beim LG Köln statt, allerdings vor der 31. Kammer (VRiLG Kehl) und nicht wie hier vor der 33. Kammer. In unserem Fall hatte ich umfangreich zu den verschiedenen beschreibenden Verwendungsmöglichkeiten der beiden Buchstaben (inkl. Auszug aus Google und Wikipedia) vorgetragen und Beweise angeboten. Zugleich habe ich bestritten, dass die Klägerin unter dem Kürzel bekannt ist. Zugegebenermaßen handelte es sich in unserem Fall um eine Institution, von der ich noch nie gehört hatte, die also erheblich unbekannter ist, als der 1. FC Köln.
Bei uns hatte der VRiLG Kehl bereits sehr deutlich bei der Einführung in den Sach- und Streitstand dargelegt, warum nach seiner vorläufigen Auffassung keine Löschung der Domain erfolgen wird. Daraufhin wurde ein Vergleich im xx.xxx Bereich geschlossen und die Domain nach Zahlung an die Klägerin übertragen, die auch die Gerichtskosten getragen hat.
Ob hier eine Berufung sinnvoll ist, kann ich nicht wirklich abschließend beurteilen, da mir die Parteischriftsätze fehlen, auf die im Tatbestand Bezug genommen wird. Sollte in der ersten Instanz tatsächlich nicht ausreichend zu den verschiedenen beschreibenden Bedeutungen von "fc" vorgetragen worden sein, so dürfte es schwer werden, diesen Vortrag in der Berufung nachzuholen.
Ich wünsche in jedem Fall viel Glück und Erfolg. Ich würde hier gerne sehen, dass dieses Urteil gekippt wird, schon aus dem "egoistischen" Grund, dass ich keine Lust habe, in Zukunft dieses Urteil als Rechtsprechungsbeispiel in gegnerischen Schriftsätzen zu lesen.
Schöne Grüße
Forsaken