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Hallo John,
jetzt wird es wissenschaftlich
Ist ein solches Vorgehen tatsächlich egoistisch wenn mehrere Beteiligte davon profitieren? Klar denkt jedes Individuum irgendwann auch an seinen eigenen Vorteil (sonst wäre es wirtschaftlich dumm das Verhalten fortzuführen wenn man selbst nie zum Zug kommt). Aber egoistisch ist es m.E. deswegen noch nicht, weil letztlich eben mehrere Beteiligte davon profitieren. Das sagt allerdings noch nichts darüber aus ob es auch moralisch vertretbar ist, sonst könnte man ja auch behaupten ein gemeinschaftlicher Raub mit anschliessendem Teilen der Beute wäre nicht egoistisch...
Das hängt wiederum stark von der Einstellung der Beteiligten zueinander ab. Ich kann mir durchaus auch in diesem Kontext altruistisches Verhalten vorstellen, das keinerlei subjektiv wahrgenommene Verpflichung eines anderen impliziert. Wenn jemand eine Domain aus einem Grund benötigt der mir allein wichtig genug erscheint sie ihm zu überlassen dann bräuchte ich zum Handeln u.U. nicht zusätzlich noch die Annahme dass ich dann die nächste Domain bekomme. Insofern gibt es hier schon noch eine Differenzierung der Motive.
Und ja, auch ich habe schonmal in einer Auktion eine Domain für einen gemeinnützigen Zweck zu einem Preis bekommen den sie sonst ggf. übertroffen hätte.
Aber um mal bei Deinem Beispiel-Gesetzestext zu bleiben: Sofern ein Auktionsveranstalter in seinen Vertragsbedingungen nicht gegenteiliges formuliert und ggf. dazu noch eine Vertragsstrafe festschreibt wird es nach deutschem Recht eher schwierig sein aus einer Zurückhaltung ein rechtsrelevantes Delikt zu machen. Im Kartellrecht sollte das natürlich eine Bedeutung haben, aber es findet sich zumindest im deutschen Strafrecht nichts was sich explizit auf Auktionen bezieht. Am ehesten kommt mir noch der §298 StGB in den Sinn:
Noch schwammiger ist da das UWG.
Darunter könnte man eventuell gerade so noch das shill bidding fassen, obwohl es auch hier fraglich ist ob allein durch ein Fake-Gebot die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher (eben kein Gegengebot abzugeben) in unlauterer Weise beeinträchtigt ist.
Es gab tatsächlich schon Richter die das anders gesehen haben (AG Gemünden, AZ 11 C 502/04).
Im rein juristischen Sinn dürfte es also eher schwierig sein einem solchen Vorgehen einen Riegel vorzuschieben. Umso wichtiger ist ein klarer moralischer Standpunkt.
Das besondere Risiko sehe ich darin, dass es bei Domainauktionen tatsächlich mittlerweile Parteien mit einer Art marktbeherrschenden Stellung gibt, weil sich nur relativ wenige Interessenten an bestimmten Auktionen insbesondere zu deutschen Keywords beteiligen. Wären die Auktionen auch nach Beginn öffentlich würde es sicher immer zu marktnahen Preisen kommen, da jede collusive Gruppe dann einfach von externen Marktteilnehmern überboten werden würde. Da man aber bei bei vielen Auktionen (pool, snapnames, nicht aber z.B. enom) zu Beginn sieht wer mit im Boot sitzt und danach auch niemand mehr dazustossen kann sind offene oder verdeckte Absprachen ein fast unvermeidbares Phänomen.
Ja, und das würde ich in vielen Fällen auch wenn zunächst absurd klingt eher als egoistisch einstufen. Das erworbene Produkt ist hier nämlich entweder die entsprechende PR (siehe die immer wieder spektulären, aber eigentlich völlig sinnfreien Goldenpalace-Auktionen) oder noch schlimmer gekauftes soziales Ansehen (bei Benefiz-Auktionen, die natürlich entsprechend öffentlich beobachtet werden), welches man dann eben seinem Mitbieter nicht gönnt. Man könnte ja ebensogut auch anonym spenden wenn es tatsächlich nur um fundraising gehen würde.
Das bezog sich auf das Heizöl, und sicher ist das kein perfektes Beispiel. Aber auch kein ganz schlechtes. Der Unterschied: Nicht der dümmste Bieter bezahlt hier den höchsten Preis, sondern alle Bieter. Allerdings ist das auf der Ebene das Individuums natürlich schwerer nachzuvollziehen. An den entsprechenden Spotmärkten aber schon: Kaufe ich eine grosse Menge Öl zeitgleich mit den anderen Marktteilnehmern bezahlen wir alle mehr weil bei grosser Nachfrage der Preis steigt. Kauft jedoch ein Teil der Interessenten zu einem anderen Zeitpunkt und nimmt so Druck vom Markt profitieren auch die, die weiterhin im Winter ihre Tanks füllen müssen. Ist also nicht so abwegig wie es zunächst klingt, "schadet" dem Anbieter und hilft letztlich der Gruppe.
Wie gesagt, auf der Ebene des individuellen Lieferanten macht das kaum einen Unterschied, er gibt ja auch die Preise nur an den Markt weiter und schlägt seine Marge drauf. Auf der Ebene der OPEC führt eine überraschende Kaufzurückhaltung aber durchaus schonmal zu Verwirrung, und snapnames ist hier eher sowas wie die OPEC als eine Niederlassung von "Brennstoffhandel Schmidt".
Punkt für Dich, das war natürlich ein saublödes Beispiel. Aber wer denkt bei Aktien schon gleich an Betrug
Ich meine es macht keinen qualitativen Unterschied ob man sich mit oder ohne Absprache auf gleiche Weise verhält. Was zählt ist einzig das Verhalten, und es gibt wie dargestellt auch andere nonverbale Kommunikations- und Verständniswege als direkte Absprachen. Wo will man da die Grenze ziehen? Ist eine Anstiftung zu einer Straftat nicht mehr strafbar wenn sie nicht verbal sondern nur mit einem Kopfnicken kommuniziert wurde, bei dem aber allen Beteiligten klar sein musste was es bedeutet? Es ist auch der Fall vorstellbar in dem ich mich bereits entschieden habe nicht mitzubieten und dann eine entsprechende Anfrage erhalte. Muss ich jetzt ablehnen und entgegen meiner Überzeugung doch den Preis treiben, weil ja nun aus einer "tacit collusion" eine "proactive collusion" geworden ist?
...wird fortgesetzt
jetzt wird es wissenschaftlich
Durch Absprachen konzertierte Gebotszurückhaltung, nennen wir es einfach mal "proactive collusion" um dem "tacid collusion" (stillschweigende Geheim-Einverstaendnisse) nicht gleich in die Quere zu kommen *hehe*, ist letztlich ebenfalls egoistisch, zumal nur eine Person direkt vom gefaelschten Zuschlag profitieren kann, indirekt letztlich jedoch auch die konzertierte Gruppe der Bieter profitieren soll.
Ist ein solches Vorgehen tatsächlich egoistisch wenn mehrere Beteiligte davon profitieren? Klar denkt jedes Individuum irgendwann auch an seinen eigenen Vorteil (sonst wäre es wirtschaftlich dumm das Verhalten fortzuführen wenn man selbst nie zum Zug kommt). Aber egoistisch ist es m.E. deswegen noch nicht, weil letztlich eben mehrere Beteiligte davon profitieren. Das sagt allerdings noch nichts darüber aus ob es auch moralisch vertretbar ist, sonst könnte man ja auch behaupten ein gemeinschaftlicher Raub mit anschliessendem Teilen der Beute wäre nicht egoistisch...
Im Moment des Zuschlags schuldet der unrechtmaessig "obsiegende Bieter" der Gruppe "etwas". Wie in dem Gesetzestext beschrieben kann es sich dabei um Bares handeln, jedoch auch um "Verguetung" im Sinne der Absitinenz des Bieters zum finanziellen Vorteil eines anderen Teilnehmers der konzertierten Gruppe bei einer zukuenftigen Auktion.
Das hängt wiederum stark von der Einstellung der Beteiligten zueinander ab. Ich kann mir durchaus auch in diesem Kontext altruistisches Verhalten vorstellen, das keinerlei subjektiv wahrgenommene Verpflichung eines anderen impliziert. Wenn jemand eine Domain aus einem Grund benötigt der mir allein wichtig genug erscheint sie ihm zu überlassen dann bräuchte ich zum Handeln u.U. nicht zusätzlich noch die Annahme dass ich dann die nächste Domain bekomme. Insofern gibt es hier schon noch eine Differenzierung der Motive.
Und ja, auch ich habe schonmal in einer Auktion eine Domain für einen gemeinnützigen Zweck zu einem Preis bekommen den sie sonst ggf. übertroffen hätte.
Aber um mal bei Deinem Beispiel-Gesetzestext zu bleiben: Sofern ein Auktionsveranstalter in seinen Vertragsbedingungen nicht gegenteiliges formuliert und ggf. dazu noch eine Vertragsstrafe festschreibt wird es nach deutschem Recht eher schwierig sein aus einer Zurückhaltung ein rechtsrelevantes Delikt zu machen. Im Kartellrecht sollte das natürlich eine Bedeutung haben, aber es findet sich zumindest im deutschen Strafrecht nichts was sich explizit auf Auktionen bezieht. Am ehesten kommt mir noch der §298 StGB in den Sinn:
Nun gibt es aber erhebliche Unterschiede zwischen einer Auktion und einer Ausschreibung, so dass die Regelung insbesondere auf Domainauktionen keine Anwendung finden dürfte.§ 298
Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen
(1) Wer bei einer Ausschreibung über Waren oder gewerbliche Leistungen ein Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Ausschreibung im Sinne des Absatzes 1 steht die freihändige Vergabe eines Auftrages nach vorausgegangenem Teilnahmewettbewerb gleich.
(3) Nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß der Veranstalter das Angebot annimmt oder dieser seine Leistung erbringt. Wird ohne Zutun des Täters das Angebot nicht angenommen oder die Leistung des Veranstalters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Annahme des Angebots oder das Erbringen der Leistung zu verhindern.
Noch schwammiger ist da das UWG.
§ 4
Beispiele unlauteren Wettbewerbs
Unlauter im Sinne von § 3 handelt insbesondere, wer
(1) Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen;
(...)
Darunter könnte man eventuell gerade so noch das shill bidding fassen, obwohl es auch hier fraglich ist ob allein durch ein Fake-Gebot die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher (eben kein Gegengebot abzugeben) in unlauterer Weise beeinträchtigt ist.
Es gab tatsächlich schon Richter die das anders gesehen haben (AG Gemünden, AZ 11 C 502/04).
Im rein juristischen Sinn dürfte es also eher schwierig sein einem solchen Vorgehen einen Riegel vorzuschieben. Umso wichtiger ist ein klarer moralischer Standpunkt.
Das besondere Risiko sehe ich darin, dass es bei Domainauktionen tatsächlich mittlerweile Parteien mit einer Art marktbeherrschenden Stellung gibt, weil sich nur relativ wenige Interessenten an bestimmten Auktionen insbesondere zu deutschen Keywords beteiligen. Wären die Auktionen auch nach Beginn öffentlich würde es sicher immer zu marktnahen Preisen kommen, da jede collusive Gruppe dann einfach von externen Marktteilnehmern überboten werden würde. Da man aber bei bei vielen Auktionen (pool, snapnames, nicht aber z.B. enom) zu Beginn sieht wer mit im Boot sitzt und danach auch niemand mehr dazustossen kann sind offene oder verdeckte Absprachen ein fast unvermeidbares Phänomen.
Die Auktion gewinnt dann eine intrinsische Dimension, welche den eigentlichen Gegenstandswert weit uebertreffen kann. Die Auktion bleibt dadurch jedoch legitim. Auktionen bei gemeinnuetzigen Organisationen sind entfernt verwandt. Es kann "schick" sein 500 Euronen fuer einen alten Pullover zu bieten, welcher nur 20 Euronen wert ist. Es geht nicht mehr nur um den Pullover, sondern um viel mehr. Auch hier bleibt die Auktion legitim.
Ja, und das würde ich in vielen Fällen auch wenn zunächst absurd klingt eher als egoistisch einstufen. Das erworbene Produkt ist hier nämlich entweder die entsprechende PR (siehe die immer wieder spektulären, aber eigentlich völlig sinnfreien Goldenpalace-Auktionen) oder noch schlimmer gekauftes soziales Ansehen (bei Benefiz-Auktionen, die natürlich entsprechend öffentlich beobachtet werden), welches man dann eben seinem Mitbieter nicht gönnt. Man könnte ja ebensogut auch anonym spenden wenn es tatsächlich nur um fundraising gehen würde.
Keinesfalls wie ich meine. Ich sehe jedoch keinerlei Auktionsverhaeltnis. Der Mietpreis der Urlaubswohnung am Strand im Winter steht ebenso wie der Preis vom Heizoel in keinem Auktionsverhaeltnis, sondern wird von der Saison und dem entsprechenden Markt bestimmt - daran aendert auch eine Absprache mit dem Nachbarn nichts, zumal der Oellieferant wohl auch im Winter einem Mengenrabatt zustimmen duerfte.
Das bezog sich auf das Heizöl, und sicher ist das kein perfektes Beispiel. Aber auch kein ganz schlechtes. Der Unterschied: Nicht der dümmste Bieter bezahlt hier den höchsten Preis, sondern alle Bieter. Allerdings ist das auf der Ebene das Individuums natürlich schwerer nachzuvollziehen. An den entsprechenden Spotmärkten aber schon: Kaufe ich eine grosse Menge Öl zeitgleich mit den anderen Marktteilnehmern bezahlen wir alle mehr weil bei grosser Nachfrage der Preis steigt. Kauft jedoch ein Teil der Interessenten zu einem anderen Zeitpunkt und nimmt so Druck vom Markt profitieren auch die, die weiterhin im Winter ihre Tanks füllen müssen. Ist also nicht so abwegig wie es zunächst klingt, "schadet" dem Anbieter und hilft letztlich der Gruppe.
Die "Aufregung" des Oellieferanten duerfte sich auch in Grenzen halten wenn der Tanker zwei Oeltanks gleich nebenan zueinander in einer Fahrt auffuellen kann, vielleicht sogar, dank Dir, einen zusaetzlichen Kunden gefunden hat - und eine kleine aber feine Zutat fehlt: Du schuldest Deinem Nachbarn ganz sicher nichts durch die Absprache.
Wie gesagt, auf der Ebene des individuellen Lieferanten macht das kaum einen Unterschied, er gibt ja auch die Preise nur an den Markt weiter und schlägt seine Marge drauf. Auf der Ebene der OPEC führt eine überraschende Kaufzurückhaltung aber durchaus schonmal zu Verwirrung, und snapnames ist hier eher sowas wie die OPEC als eine Niederlassung von "Brennstoffhandel Schmidt".
Vielleicht ja, vielleicht nein. Kommt auf den Analyst an und was er im Schilde mit dem Abraten fuehrt. Falls es seine ehrliche fachmaennische Meinung ist, hat er natuerlich lediglich sein Amt als Analyst erfuellt. Falls er vermeintlich unbefangen tatsaechlich das Vertrauen seiner Kunden ausnuetzt, rein um die Aktien eines Konkurrenten, von welchen er indirekt profitiert, zu pushen, dann ist er ein Betrueger. Aber sowas wird bekanntlich laengst geahndet. Keyword: Enron.
Punkt für Dich, das war natürlich ein saublödes Beispiel. Aber wer denkt bei Aktien schon gleich an Betrug
Das ist der springende Punkt, weil es massgeblich zwischen tacid collusion (ohne Absprache) und proactive collusion (mit Absprache) unterscheidet.
Ich meine es macht keinen qualitativen Unterschied ob man sich mit oder ohne Absprache auf gleiche Weise verhält. Was zählt ist einzig das Verhalten, und es gibt wie dargestellt auch andere nonverbale Kommunikations- und Verständniswege als direkte Absprachen. Wo will man da die Grenze ziehen? Ist eine Anstiftung zu einer Straftat nicht mehr strafbar wenn sie nicht verbal sondern nur mit einem Kopfnicken kommuniziert wurde, bei dem aber allen Beteiligten klar sein musste was es bedeutet? Es ist auch der Fall vorstellbar in dem ich mich bereits entschieden habe nicht mitzubieten und dann eine entsprechende Anfrage erhalte. Muss ich jetzt ablehnen und entgegen meiner Überzeugung doch den Preis treiben, weil ja nun aus einer "tacit collusion" eine "proactive collusion" geworden ist?
...wird fortgesetzt